Diversität Kita

Die Auseinandersetzung mit Diversität und Diskriminierung erfolgt im pädagogischen Bereich auf mehreren Ebenen: mit mir als Mensch und Pädagog:in ganz persönlich, bezogen auf das Team und die Einrichtung sowie in der Arbeit mit den Kindern und ihren Familien. Diese Ebenen sind natürlich sehr eng miteinander verwoben und lassen sich oft nicht trennen. 


Was bedeutet Diversität in der Kita?

Wenn wir uns mit Vielfalt / Diversität und Diskriminierung beschäftigen müssen wir uns zuallererst einmal mit uns selbst auseinandersetzen: Wer bin ich? Welche Identitätsaspekte machen mich aus? Wie wurde ich in meiner Kindheit geprägt? Wieso denke ich wie ich denke und was denke ich unbewusst überhaupt? Wie fühle ich in bestimmten Situationen und warum fühle ich so, auch wenn ich vielleicht gar nicht so fühlen will? Und wie sind meine Handlungen davon geprägt? Wenn wir uns mit diesen Fragen beschäftigen, werden wir aufmerksamer für uns, unser Weltbild und unser Handeln. Ganz oft agieren wir unbewusst und in diesem Agieren stecken dann alle Werte und Vorstellungen, die wir vor allem als Kind aber auch danach von unserer Umwelt unreflektiert aufgesogen haben. Das Problem dabei ist: wir hinterfragen sie kaum. Die gute Nachricht: wir können unsere Vorurteile verlernen! Juhu! 😊


Wer bin ich? Am Anfang steht die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst

In der kritischen Auseinandersetzung mit Diskriminierung – und damit erstmal in der kritischen Auseinandersetzung mit uns selbst - bekommen wir einen besseren Blick dafür, wann wir selbst Benachteiligung unterliegen und wann wir selbst andere benachteiligen oder ausgrenzen - auch ungewollt. Genauso werden wir dann auch aufmerksam für immer mehr Momente, in denen Diskriminierung oder Ausgrenzung erfolgen, die wir zuvor nicht unbedingt wahrgenommen hätten, seien es Straßenschilder, Spielzeuge, oder Situationen in der Elternarbeit. Wir nehmen Vielfalt differenzierter wahr, fragen mehr nach anstatt gleich mit der eigenen Deutung eine (unbewusste) Schublade aufzumachen, z.B. alleinerziehend = überfordert. So sind wir gleichzeitig auch viel sensibler im Umgang mit den vielfältigen Bedürfnissen, die die Menschen um uns herum mitbringen. 


Wahrnehmung sensibilisieren: Erkenne Bedürfnisse von Kindern und Kolleg:innen

Im pädagogischen Kontext heißt das, dass ich die Kinder, die ich betreue, noch mehr in ihrer Unterschiedlichkeit und in der Vielfalt ihrer jeweiligen Identität wahrnehme. Ich werde aufmerksamer in Bezug auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder. Dies wiederum zieht nach sich, dass ich auch leichter erkenne, wenn diese nicht berücksichtigt werden und sogar individuelle Grenzverletzungen passieren, durch mich, durch Kolleg:innen, durch Vorgesetzte, andere Erwachsene oder Kinder. Das gleiche gilt natürlich auch für die Bedürfnisse innerhalb des Teams. Und Grenzverletzungen können ebenso auch dort passieren. Die gemeinsame kritische Beschäftigung als Team mit den Themen Unterschiede, Benachteiligung und Herabwürdigung birgt die Chance, sich gemeinsam zu der Frage zu verständigen: wie wollen wir miteinander und mit den uns anvertrauten Kindern umgehen? Und vor allem: wie nicht? Das können konkret die dreckigen Kaffeetassen sein, die immer wieder einfach nur in die Spüle gestellt werden anstatt in den Geschirrspüler. Oder die permanente Unpünktlichkeit einer Kollegin, die Unmut schafft. Die deutliche Ansage einer Erzieherin an ein Kind, dass das Essen probiert werden muss, die in einem anderen Erzieher ein wütendes und gleichzeitig ohnmächtiges Gefühl aufkeimen lässt. Das motorisch eingeschränkte Kind, das verbal rund gemacht wird, weil es heute zum dritten Mal die Stiftekiste hat fallen lassen. Das Kind ohne Deutschkenntnisse, das (vermutlich sogar gut gemeint) als einziges zum Malen an den Tisch gesetzt wird, weil es ja eh kein Wort von dem Buch versteht, das gerade in gemütlicher Runde vorgelesen wird.


Nur gemeinsam geht's voran: Absprachen im Team

Das Team verabredet Handlungsgrundsätze und erlaubt sich, miteinander und gegenseitig kritisch zu sein, um ausgrenzende und schädigende Verhaltensweisen zu minimieren und das Klima in der Einrichtung für alle zu verbessern. Das kann z.B. über eine Feedback-Kultur oder eine grundsätzlich positive und fehlerfreundliche Gesprächskultur funktionieren. Die Pädagog:innen bieten damit den Kindern einen sichereren Lern- und Erfahrungsort und stärken den institutionellen Kinderschutz. Sie nehmen gleichzeitig eine wichtige Vorbildfunktion ein: die Kinder sehen, wie die Erwachsenen untereinander mit Verschiedenheit positiv umgehen. Sie lernen, dass es okay und sogar hilfreich ist sich zu äußern, wenn man etwas nicht mag. Die Pädagog:innen schaffen mit ihrem Bewusstsein für Vielfalt / Diversität und ihrem kritischen Blick auf Diskriminierung eine vertrauensvolle und ermutigende Atmosphäre, in der die Kinder sich angenommen, wohl und sicher fühlen können. 


Ein wichtiger Beitrag zum Kinderschutz

Dies sorgt dafür, dass Kinder sich auch eher äußern, wenn ihnen etwas missfällt oder ihnen etwas nicht guttut. Kinder, die noch zu klein oder zu zurückhaltend sind, um sich verbal zu äußern, werden in ihren Bedürfnissen auch ohne Worte eher wahrgenommen. Wenn Pädagog:innen sich darüber hinaus noch gemeinsam mit den Kindern den Themen Identität, Vielfalt und Ausgrenzung widmen, erfahren diese noch konkreter, dass alle mit ihren Gemeinsamkeiten, Unterschieden, Wünschen und Bedürfnissen gleichermaßen dazugehören sowie Berücksichtigung finden dürfen und sollen. Dies stärkt die Ich-Identität und fördert Resilienz. Die Kinder lernen selber kritisch zu werden bezüglich Situationen, in denen Ausgrenzung und Benachteiligung passiert und auch, sich für sich und für andere einzusetzen. Und dies ist doch ganz eindeutig ein großer Beitrag zum Kinderschutz. 😊



Fiamma Scheller ist Anti-Bias-Trainerin und Insoweit erfahrene Fachkraft im Kinderschutz. Sie hat viel Erfahrung in der Schulsozialarbeit an Grundschulen.






Lehrgang Kinderschutz in Kitas 


Viele der Aspekte, die Autorin Fiamma Scheller in diesem Artikel beschrieben hat, werden im Lehrgang Kinderschutz in Kitas aufgegriffen. Hier geht es im Detail um Vielfalt & Respekt, um den Umgang mit Grenzverletzungen und um die Wichtigkeit einer gemeinsamen Auseinandersetzung im Team. Auch steigen die Teilnehmer:innen in die Entwicklung eines einrichtungsbezogenen Schutzkonzeptes ein